Die Textsorte Charakterisierung soll eine (wichtige) Figur in Prosa und Poesie derart beschreiben, dass ihre Bedeutung für das Stück offenbar wird. Dabei sind äußere Merkmale ebenso zu beachten wie innere. Zudem unterscheidet sich die Form der Charakterisierung in direkt und indirekt. Im direkten Teil werden Textstellen angeführt, in denen sich das Wesen der literarischen Figur durch direkte Beschreibungen der Erzählperson offenbart, im indirekten Teil werden Stellen besprochen, in denen sich durch die Handlungsweise, Äußerungen oder Ähnliches der Charakter der Figur zeigt. Beispielhaft folgt die Charakterisierung des Hauptmanns aus dem fragmentarischen Stück „Woyzeck“ von Georg Büchner.
Als „Hauptmann“ zeigt sich in Szene 5 und 9 des Stücks „Woyzeck“ ein Mann mittleren Alters, der einen militärischen Beruf ausübt und den Grad des Hauptmanns innehat. Er ist vermutlich ledig und kinderlos, was nicht explizit erwähnt wird, sich aber aus seinem Gebaren erahnen lässt: Eine seiner Beschäftigungen ist es am Fenster zu sitzen, den vorbei gehenden jungen Frauen nachzusehen, aber gleichzeitig zu betonen, dass ihm weiteres Handeln qua seiner Moral und Tugend verwehrt sei.
Er ist Teil einer besser gestellten Gesellschaftsschicht, befindet sich hierarchisch über Woyzeck, welcher sein Untergebener und tritt nicht privat, sondern nur in seiner Funktion als Hauptmann, ähnlich wie der Doktor, im Gespräch mit Woyzeck in Erscheinung.
Der Hauptmann verfügt über ein auffälliges Maß an Freizeit, das er mit Spazierengehen, Aus-dem-Fenster-Blicken oder der Körperpflege, genauer der Rasur durch andere, zu füllen sucht. Diese Tätigkeiten erfüllen ihn wenig, lässt sich mutmaßen, da er selbst all seine Handlungen mit ausgesuchter Behäbigkeit vornimmt, um so die Leere eines Tages füllen zu können. Es scheint, als führe er seinen Dienstgrad nur noch pro forma, da ihn keine militärischen Aufgaben von Bedeutung zu beschäftigen scheinen. Eine umfassende Langeweile treibt ihn um. Die Menschen um ihn herum hält er unermüdlich an, es ihm in seinem Müßiggang gleich zu tun. Insbesondere Woyzecks Nervosität erregt ihn und er versucht ihn stets zu mehr Ruhe zu ermahnen. (S. 14, Z. 19-21; S. 9, Z. 18-19)
Sein Verhältnis zu Woyzeck ist ferner durch die hierarchische Ordnung geprägt. Woyzeck ist dem Hauptmann ein Untergebener im militärischen Dienst. Diesen Umstand nutzt dieser aus, um Woyzeck für sein Amüsement zu nutzen. Er erhöht sich selbst über ihn in Moral, Tugend und Kirchentreue. Es bereitet dem Hauptmann Freude Woyzeck vorzuführen, ihm Befehle zu erteilen und ihn zu maßregeln. (S.10, Z. 11; S. 11, Z.15) So vertreibt er sich unter anderem die Langeweile. Der Hauptmann zeigt sich als äußerst egoistisch und verschlagen, wird jedoch nicht müde zu betonen, dass er ein kluger, moralischer und tugendhafter Mann sei. (S. 11, Z. 1-3; S. 15, Z. 7) Der Gegenbeweis wird immer wieder offenkundig, da er den ohnehin schon labilen Woyzeck in seinen Gesprächen ausschließlich psychisch missbraucht. Er behandelt ihn herablassend, um sich selbst besser zu stellen. Er betont Woyzecks vermeintliche Dummheit und seinen Mangel an Moral, nur um in einem Atemzug darauf zu verweisen, dass all diese Eigenschaften ihm zuteil seien. Woyzecks labilen Zustand nutzt er, um ihn zu seinem Amüsement zu manipulieren, indem er den Verdacht ohne Not nur mehr erhärtet, dass Marie Woyzeck betrüge.
Der Hauptmann zeigt außerdem hypochondrische Züge. Er bildet sich ein krank zu sein. (S. 14, Z. 25-29) Unbegründet scheinen diese Ängste aber nicht vollends zu sein, da der Doktor ihm einen baldigen Schlaganfall prophezeit. Dies ist auf das feiste Erscheinungsbild des Hauptmanns zurückzuführen, das sich aus dessen Lust an der Völlerei ableitet.
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