Woyzek Charakterisierung von Andres – Beispiel

Auftreten und gesellschaftliche Stellung

Andres tritt nur selten in Erscheinung. Über seine Figur ist sehr wenig bekannt. Er besitzt keinerlei eigene Szenen und tritt lediglich zusammen mit Woyzeck auf. Ebenso wie Franz Woyzeck ist Andres Soldat. Sie verrichten beide Arbeiten für den Hauptmann, wie z. B. das Zuschneiden von Stöcken. Sie teilen sich beide ein Zimmer in der Kaserne. Aus Mangel an Geld und Platz schlafen sie sogar im selben Bett, was auch darauf hindeutet, dass Andres genauso wie Woyzeck der ärmeren und untersten sozialen Gesellschaftsschicht angehört.

Charakterdarstellung

Andres ist eine ruhige Person, die nicht gern redet. Dafür ist er ein leidenschaftlicher Sänger und überspielt mit seinen Liedern so manche unangenehme Situation. Sein Hang zum Gesang ist Ausdruck seiner Gutmütigkeit, denn er ist eine harmlose und gute Seele. Leider ist er dabei auch etwas unbeholfen und gibt gern Lieder zum Besten, die in der entsprechenden Situation eher unpassend wirken und die Wahnvorstellungen von Woyzeck noch verschlimmern. So singt er z. B. in dem Moment ein Lied über eine Affäre, als Woyzeck bereits den Betrug seiner Marie ahnt und verstärkt dadurch dessen Vermutung.
Andres verrichtet seinen Dienst pflichtbewusst und vorschriftsmäßig. Er ist pünktlich, aber naiv und hinterfragt nichts. Er fürchtet nichts so sehr wie seinen Aufgaben nicht nachzukommen und dafür Ärger zu kassieren. Diese Einstellung ist durch sein Leben als Soldat und dem damit einhergehenden militärischen Drill geprägt. Daher mangelt es ihm auch an geistiger Selbstständigkeit. Es fehlt ihm jeglicher Antrieb zu eigenem Handeln oder gar selbstkritischen Denken. Sein Lebenssinn liegt darin, Befehle zu befolgen. Dabei braucht er sich keine Gedanken zu machen, denn er ist ein einfach gestrickter Mann. Er genießt sein Leben mit dem ihm gegebenen spärlichen Annehmlichkeiten unbeschwert und befasst sich nicht mit negativen Gedanken. Leider führt diese Charaktereinstellung auch dazu, dass er oftmals den Ernst der Lage nicht begreift. Selbst als Woyzeck Andres all seine Habseligkeiten, nämlich ein Hemd, ein Kreuz, einen Ring und ein Heiligenbild schenkt und sich verhält, als würde er bald sterben, ist Andres mit der Situation so überfordert, dass er den Raum verlässt. Ohne sich den Kopf über die wahren Hintergründe zu zerbrechen, hält er Woyzeck für krank und im Fieberwahn. Er erkennt den Ernst der Lage nicht.

Beziehung zu Woyzeck

Woyzeck und Andres sind eher Kameraden als wirkliche Freunde. Ihr Verhältnis ist kollegialer Art. Dennoch vermacht Woyzeck seinem Partner seinen gesamten ärmlichen Besitz. Dieser Umstand deutet darauf hin, dass Woyzeck in Andres, neben Marie seinen engsten Vertrauten sieht. Währenddessen fürchtet sich Andres vor Woyzecks Halluzinationen und Wahnvorstellungen. Zwar versucht er diesen Umstand mit Gesang zu überspielen, dennoch lässt er sich von Zeit zu Zeit von Woyzecks innerer Unruhe anstecken. Das erkennt man daran, dass er in diesen Momenten mit seinem Gesang verstummt. Andres‘ Versuche, Woyzeck zu beruhigen, sind eher halbherziger Natur und schlagen meist fehl. Andres weiß oftmals nicht mit Woyzecks Ängsten und Ausbrüchen umzugehen. Er schiebt diese immer wieder auf eine herannahende Erkrankung seines Partners. Als er z. B. vermutet, dass Woyzeck lediglich an einer Krankheit leidet, empfiehlt er ihm Bettruhe und Schnaps mit Schießpulver zu trinken, um das vermeintliche Fieber zu senken.
Andres versteht Woyzecks Aussagen nicht, weil er sich nicht in die Gefühlswelt seines Kameraden hineinversetzen kann. Es kommt nie zu einem ernsthaften Gespräch zwischen beiden Figuren.

Bedeutung für das Drama

Für das gesamte Werk hat die Figur des Andres eine eher untergeordnete Rolle. Während die Hauptfigur des Woyzeck psychisch instabil ist, stellt Andres das genaue Gegenteil dar. Er ist eine Art Ruhepol und kann als Kontrastfigur oder Gegenpart von Woyzeck angesehen werden.

Andres‘ Überforderung mit der Situation und dem Gesundheitszustand seines Kameraden führt dazu, dass er den besorgniserregenden Zustand nicht erfassen und dessen Taten nicht verhindern kann. Dementsprechend besteht auch die Möglichkeit, dass Andres die innere Stimme des Woyzecks darstellen soll. Mit seiner rationalen Denkweise wird er so zur Vernunftstimme Woyzecks, auf die dieser letztendlich nicht hört und die Tragödie seinen Lauf nimmt.

Während der Doktor, der Hauptmann und der Tambourmajor nur einen Berufsstand vertreten, ist Andres einer der wenigen Figuren, die einen Namen besitzen.

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