Bei dem Stichwort „Benimmunterricht“ sollte man nicht an veraltete adelige Etiketten und das Hofzeremoniell denken, das zu Zeiten von Königtum und Adelsherrschaft bis ins kleinste Detail die Umgangsformen regelte.
Es geht vielmehr um zeitgemäße Regeln, die zu mehr Höflichkeit und Respekt in der Gesellschaft führen sollen und sich zumindest teilweise auf Leitfäden wie den Knigge beziehen könnten. In einer Erörterung oder Argumentation zum Thema Benimmunterricht braucht man zunächst einmal alle möglichen Argumente, die hier im Artikel aufgelistet und zusammengefasst wurden.
Was für den Benimmunterricht spricht
Im Leben als Erwachsener wird man Pflichten haben, an die man als Kind bzw. Jugendlicher zu Schulzeiten noch nicht denkt. Insofern wäre Benimmunterricht kein kurzfristiges Lernziel, sondern der Ausdruck einer Schule, die langfristig aufs Leben vorbereitet. Beispielsweise ist die Frage, wem man zuerst die Hand gibt oder wen man auf dem Flur zuerst begrüßt, im späteren Berufsleben von großer Bedeutung. Ein falsches Verhalten kann hier schnell zum Eindruck von Arroganz oder generell fehlendem Respekt führen. Beides wirkt sich negativ aus, weil es Türen verschließt und der Betroffene weiß vielleicht nicht einmal, woran es liegt. Im Berufsleben zählen nicht nur die Fachkompetenzen (hard skills), sondern auch die als soft skills bezeichneten Fähigkeiten des sozialen Umgangs. Einschränkend muss gesagt werden, dass es sicherlich nicht für jeden Beruf gleichermaßen gilt, aber vor allem in akademischen Berufen und Führungspositionen in Wirtschaftsunternehmen große Bedeutung hat. Ein weiteres Beispiel dafür ist das Geschäftsessen, bei dem Fehltritte wie das falsche Halten oder Verwenden von Besteck peinlich wirken.
Außer den individuellen Vorteilen in der Arbeitswelt hätte Benimmunterricht an Schulen zudem für die gesamte Gesellschaft positive Effekte. Benimmunterricht würde nicht nur aus dem richtigen Grüßen und Halten von Besteck bestehen, sondern gerade in unteren Klassenstufen die grundlegenden Verhaltensweisen ansprechen, die zu mehr Respekt und weniger Mobbing beitragen könnten.
Schüler würden schon früh lernen, dass Beleidigungen den guten Stil verletzen und es dem Gegenüber große psychische Probleme bereiten kann, wegen Gewicht, Kleidung etc. mit blöden Sprüchen versehen zu werden. Das, was man in jungen Jahren lernt, prägt uns besonders und könnte zu einer Verinnerlichung verträglicher Umgangsweisen beitragen. Noch dazu kann der Unterricht sehr anschaulich und modern sein, da Mobbing und Beleidigungen gerade in den häufig verwendeten sozialen Medien vorkommen.
Argumente gegen den Benimmunterricht
Andererseits stellt es falsche Erwartungen an die Schule, wenn Kinder dort lernen sollen, dass ein respektvoller Umgangston selbstverständlich ist. Das gehört zur Erziehung,und Erziehung ist Sache der Eltern, nicht der Schule. Grundlegende Verhaltensweisen müssen schon zu Hause durch die Vorbildwirkung der Eltern erlernt werden. Falls jemand das nicht vom Elternhaus mitbringt, werden ein paar Unterrichtsstunden daran nichts mehr ändern, weil dann die Verhaltensdefizite bereits zu groß sind.
Des Weiteren könnte sich schnell ein Motivationsproblem ergeben. Die zuvor erwähnten Knigge-Regeln für Berufs- und Geschäftsleben werden zwar später mal wichtig sein, aber ohne konkreten Bezug zur Lebenswelt der Jugendlichen ist die Vermittlung zu früh. So etwas lässt sich auch in späteren Berufseinsteigerkursen oder autodidaktisch mit dem Knigge erlernen. Ohne die Einsicht in konkreten Nutzen ist es aber schwierig, zum Lernen zu motivieren. Und für Wissen, das später aus Motivationsmangel vergessen wird, ist die Schulzeit zu kostbar.
Kostbar ist sie vor allem, weil die Stundenpläne ohnehin schon voll genug sind. Schon jetzt klagen viele Schüler, gerade auch in der Oberstufe, über Leistungsdruck. Dieser entsteht durch viele Fächer und dementsprechend viel Lernzeit. Ein zusätzliches Fach Benimmunterricht würde den Leistungsdruck erhöhen und weniger Lernzeit für andere wichtige Fächer bedeuten.
Auch die Alternative – die Kürzung anderer Stunden zugunsten des Benimmunterrichts – würde das Problem nicht lösen. Jedes Schulfach vermittelt die Grundlagen für die später folgende Ausbildung oder das Studium. Kernfächer wie Deutsch, Mathematik und Englisch sind zu wichtig, um sie im Umfang zu beschränken. Nebenfächer haben schon einen geringen Umfang, der nicht weiter gekürzt werden sollte. Sinnvoller wäre es, den Benimmunterricht in Fächer wie Sozialkunde oder Philosophie zu integrieren, wenn auch nur mit wenigen Stunden.
Fazit: Kompromisslösung Wahlfach
Benimmunterricht könnte zu mehr Respekt und weniger Mobbing führen und zudem später wichtige Umgangsformen vermitteln, eine Berechtigung hätte er damit. Grundlegende Verhaltensweisen müssen aber schon von zu Hause mitgebracht werden und die vollen Stundenpläne lassen wenig Spielraum. Als Pflichtunterricht hätte Benimmunterricht somit zu viele Schattenseiten.
Eine elegante Lösung wäre daher das Angebot als freiwilliges Zusatzangebot im Rahmen eines Wahlfaches.
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