Jean Anouilhs Drama „Antigone“
Antigone ist ein 1942 geschriebenes Drama des französischen Autors Jean Anouilh. Die Uraufführung fand zwei Jahre später in Paris statt und wurde vom Publikum begeistert aufgenommen. Es galt als Sinnbild des Widerstands der Franzosen gegen die Besatzungsmacht Deutschland. Die Veröffentlichung in Buchform dauerte nochmals zwei Jahre und fand erst 1946 statt.
Weite Teile von Anouilhs Drama basieren auf der gleichnamigen im Jahr 442 vor Christus erscheinen griechischen Tragödie des Dichters Sophokles. Der Schauplatz beider Versionen ist Theben. Wesentlich geändert wurde bei Anouilhs Fassung der Handlungszeitraum, der das Drama in das 20. Jahrhundert verlegte. Existentialistische Philosophie wird hierbei mit Elementen der antiken Tragödie verbunden.
Der Aufbau
Die antike Vorlage von Sophokles diente Jean Anouilh weitgehend auch hinsichtlich des Aufbaus als Vorlage. So wird die aristotelische Einheit zwischen Zeit und Ort beibehalten und die komplette Handlung findet an einem Tag im königlichen Palast in Theben statt. Die außerhalb stattfindenden Handlungen werden dem Zuschauer nur durch Berichte vermittelt. Während bei Sophokles die Szenenabfolgen noch klar gekennzeichnet sind, erschließt sich die Abfolge bei Anouilh durch das Auf- und Abtreten der einzelnen Figuren. Die Abfolge wird dadurch natürlicher und lockerer gestaltet.
Grob lässt sich das Geschehen in vier Teile gliedern:
Im Ersten Teil widersetzt sich Antigone dem Verbot, den aufständischen Bruder Polyneikos zu beerdigen. Im zweiten Teil steht sie zu dieser Überzeugung, auch wenn diese die Todesstrafe bedeutet. Im dritten Teil kehrt sie um und stirbt und den abschließenden vierten Teil bildet das Schicksal des Königs Kreon.
Kurze Zusammenfassung
In einem Satz lässt sich die Handlung wie folgt festhalten: Die Protagonistin Antigone lehnt sich gegen das Verbot von König Kreon auf und bestattet ihren aufständischen Bruder. Für dieses Verbrechen nimmt sie die Todesstrafe in Kauf.
Detaillierte Inhaltsangabe:
1. TEIL:
Alle handelnden Figuren eröffnen gemeinsam das Stück und werden dem Publikum durch einen Sprecher vorgestellt. An die Vorstellung schießt sich eine Erzählung der Vorgeschichte an:
Eteokles hatte versprochen, den Thron von Theben an seinen Bruder Polyneikos abzugeben, sich aber nicht an dieses Versprechen gehalten. Deshalb ist Polyneikos mit Verbündeten gegen seinen Bruder und die Stadt Theben gezogen. In dieser Schlacht töteten sich die Brüder gegenseitig. Polyneikos verlor letzten Endes die Schlacht und Kreon wurde neuer König. Dieser bereitete dem verstorbenen Eteokles ein feierliches Begräbnis und untersagte die Beerdigung von Polyneikos. Während das Verbot gegen die Beerdigung des auf ständigen Polyneikos ausgesprochen wird, treten alle Figuren ganz am Ende gefolgt vom Sprecher ab.
Antigone, die Schwester von Eteokles und Polyneikos, ist mit Hämon, dem Sohn des neuen Königs Kreon, verlobt. Als Sie erst in der Früh zurück in den Palast kommt wird sie von der Amme beschuldigt, einen Liebhaber aufgesucht zu haben, was sie vehement abstreitet.
Antigones Schwester Ismene erscheint und die Amme lässt beide alleine. Die beiden Schwestern sprechen über den gemeinsamen unbeerdigten Bruder Polyneikos und die jüngere Schwester möchte ihn begraben. Ismene hat jedoch Angst, dafür von Kreon mit dem Tod bestraft zu werden und versucht, Antigone von dem Plan des Begräbnisses abzuhalten.
Antigone nimmt schließlich der zurückgekommenen Amme das Versprechen ab, sich in Zukunft um den Hund zu sorgen. Da die Amme vermutet, der Verlobte könnte diesen nach der Hochzeit nicht im Haus haben wollen, willigt sie ein. Der Plan der beiden Schwestern ist der Amme nicht bekannt.
Als Antigones Verlobter Hämon erscheint weicht die Amme erneut. Die beiden diskutieren über einen Streit der vergangenen Nacht, in welcher Antigone die Hochzeitsnacht vorziehen wollte. Antigone nimmt ihrem Verlobten das Versprechen ab, sie anzuhören ohne etwas zu erwidern und gesteht anschließend, dass sie ihn nicht heiraten wird. Der am Boden zerstörte Hämon geht ohne noch etwas zu sagen.
Als Ismene erneut erscheint, um Antigone von dem Plan der verbotenen Beerdigung abzubringend, gesteht diese, dass der Bruder längst mit Erde bedeckt sei.
Der Wächter, welcher bei der Leiche Wache gehalten hatte, berichtet dem König Kreon, dass diese mit Erde bedeckt worden sei. Die Spuren neben der Leiche deuten auf die Tat eines Kindes, wohinter Kreon einen politischen Akt vermutet, der ihn zum Kindermörder werden lässt. Darum unternimmt er zunächst nichts.
2. Teil
Der zweite Teil wird wieder vom Sprecher eröffnet, der den bisherigen Verlauf kommentiert und festhält, dass es in einer griechischen Tragödie keine Hoffnung auf eine Rettung des Helden gäbe.
Drei Wächter führen schließlich die gefesselte Antigone vor Kreon und berichten dem König, dass diese den Aufrührer beerdigen wollte. Die Wächter stehen dabei für die Gegenwelt und repräsentieren den banalen Alltag, der in krassem Kontrast zu Antigones Leidensweg steht. Die Wärter sind unparteiisch und stehen immer auf der Seite, die sie besser bezahlt.
Der König bietet schließlich seiner Nichte an, ihre Tat zu verheimlichen. Er hätte damit ein Exempel statuieren müssen um einen Aufstand zu verhindern und keine persönlichen Interessen verfolgt. Die nicht stattgefundene Beerdigung ist dem König selbst ein Dorn im Auge. Außerdem zweifelt er an Antigones Religiosität, da diese nie viel von den Priestern gehalten habe. Antigone lehnt das Angebot des Königs trotzdem ab und steht zu ihrer Überzeugung, auch wenn diese sie den Tod kosten wird.
Der König sieht Antigones Ideale kritisch und warnt diese, dass sie sich nicht unnötig ausnutzen lassen soll. Sie solle Ideale zurück stecken und durch eine Heirat mit Hämon ihr kleines Glück finden. Auch alltägliche Dinge können Glück bereiten und sie solle sich damit zufrieden geben. Gegen diese Ansichten wehrt sich Antigone entscheiden, die von ihrer Haltung nicht abweicht und größere Ziele als einen bescheidene Alltag verfolgen möchte. Nach der Devise ganz oder gar nicht ruft sie selbst die Wächter, die sie in ihr Verlies führen sollen.
Antigones Schwester Ismene tritt auf und berichtet, dass sie ihre Meinung geändert und nun gemeinsam mit der Schwester den Tod wählen möchte. Daraufhin lässt der König Antigone verhaften und abführen.
Teil 3:
Auch der dritte Teil wird wieder vom Sprecher eröffnet. Dieser klagt den König an, der sich verteidigt: Er ist Antigones Wunsch zu Sterben lediglich nachgekommen und könne Sie nicht zum eben zwingen. Der Sohn des Königs Hämon bittet seinen Vater verzweifelt, seine Verlobte zu verschonen. Doch für den König gibt es kein Zurück mehr und der Sohn muss erwachsen werden und sich mit den
Antigone wird von den Wächtern in den Sal gestoßen, während eine laute Menge bereits versucht, Zutritt zu diesem Saal zu bekommen. Kreons Soldaten hindern die Leute am Eintritt und räumen schließlich den kompletten Palast. Am Ende ist Antigone mit einem Wächter allein du beginnt mit diesem ein Gespräch, in dem Sie versucht herauszufinden, wie ihr Todesurteil aussieht. Der Wächter meint, dass sie lebendig eingemauert werden wird. Sie bittet daraufhin den Wächter, Ihrem Verlobten Hämon einen Brief zu überbringen. Darin kehrt sie schließlich von ihrer
Überzeugung ab, denn sie weiß nicht mehr, warum sie stirbt und gibt ihrem Onkel Kreon mittlerweile Recht. Damit ist die Umkehr von Antigone zwar vollzogen, doch kommt sie zu spät.
Teil 4:
Auch der vierte und letzte Teil wird von einem Kommentar des Sprechers eröffnet. Dieser konstatiert, dass keiner der handelnden Personen ein Leid erspart bleibe und nun der König selbst an der Reihe sei.
Wein Bote berichtet von männlichen Klagelauten aus Antigones lebendigem Grab, die nicht von Antigone selbst sein können. Das Verlies wurde daraufhin geöffnet. Kreon erblickt in dem Verlies ein grausames Bild; Antigone hat sich selbst erhängt und ihr Verlobter Hämon hat sich knieend vor seiner Verlobten durch ein Schwert getötet.
Im selben Moment erfährt Kreon, dass auch seine Frau Euridyke sich das Leben genommen hat, sobald diese vom Tod des eigenen Sohnes erfahren hatte.
Zum Abschluss resümiert der Sprecher, dass der Herrscher nun von seinen Anhängern, als auch von seinen Gegnern verlassen sei. Die unparteiischen Wächter hätten wegen ihrer neutralen Einstellung überlebten beenden das Stück mit einem Kartenspiel.
Die Verbindung der Antigone von Anouilh zur französischen Resistance-Bewegung
Bei Anouilh wird Antigone als tragische aber zugleich starke politische Heldin dargestellt. Sie klagt nicht nur über ihr Schicksal, sondern geht einen Schritt weiter, indem sie den Sinn der Welt hinterfragt. Anouilh schafft es damit, die ursprüngliche griechische Tragödie mit den Eigenschaften eines psychologischen Dramas zu koppeln. Das Verhältnis zwischen der eigenen Person und der Gesellschaft steht im Mittelpunkt.
Oft wird das Stück mit der französischen Resistance-Bewegung in Verbindung gebracht. Zum Zeitpunkt der Uraufführung von Anouilhs Fassung im Jahr 1944 hatte sich bereits die Resistance gegen die Kollaboration des Vichy-Regimes mit Deutschland zusammengefunden. Kreon wurde in diesem Zusammenhang gerne als Vertreter des Regimes interpretiert und Antigone als Widerstandskämpferin.
Trotzdem kann das Stück auch davon abstrahiert und gelöst vom historischen Kontext betrachtet werden. Denn auch in der heutigen Zeit ist der Konflikt zwischen Auflehnung und gehorsam ein aktuelles Thema. Dabei wird die Frage gestellt, welchen Preis man bereit ist zu zahlen, um bestimmte Dinge wie die Religion aufzugeben. So wird das ursprünglich nur auf die Antike fokussiertes Thema zu einem immer aktuellen Stoff.
Vergleich zwischen Anouilh und Sophokles
Anouilh überträgt die Handlung zeitlich gesehen wie anfangs bereits geschildert in das 20. Jahrhundert. Gerade die Erwähnung aktueller Gegenstände wie Autos illustriert das Geschehen.
Zudem hat die Änderung des zeitlichen Kontextes auch moralische Verlagerungen zur Folge: Während es sich bei Sophokles um einen religiösen Konflikt handelt, bei dem sich Antigone gegen den Onkel wegen eines göttlichen Gesetzes auflehnt, wird bei Anouilh ein Generationen Konflikt thematisiert.
Bei Anouilhs ist vor allem die Gestaltung Kreons abweichend von der Darstellung bei Sophokles. So ist Kreon hier kein Despot mehr, sondern vielmehr ein von Zweifeln geplagter Herrscher. Antigone ist leidenschaftlich und jung und hält Kreons Weltsicht nicht für attraktiv. Vielmehr als nach politischer Pragmatik sehnt sie sich nach Pathos und ganz großen Gefühlen. Der Tod Antigones wird nur deshalb sinnlos, da ihr Widerstand inhaltsleer ist und die Kompromisslosigkeit schnell als Hochmut ausgelegt wird.
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