„Sommerhaus später“, der Titel einer Kurzerzählung von Judith Hermann. Sie verleiht dem Prosaband, in dem sich die Kurzgeschichte befindet, ihren Namen. An Schulen, Universitäten und darüber hinaus hat dieses literarische Werk eine große Anerkennung erzielt.

INHALTSANGABE

„Sommerhaus, später“ ist eine kurzweilige Episode der Autorin Judith Hermann. Zentrale Person der Handlung ist die Person des Taxifahrers Stein. Er plant mit der lebenslustigen Erzählerin ein gemeinsames Leben. Ihre Verbindung tendiert zwischen Ungewissheit und Verharren. In dem Zeitraum von 1990 bis 1996 spielt die Erzählung an zwei Orten. Der tatsächliche Ort ist Berlin-Kreuzberg. Der erfundene Ort Canitz im Oderbruch.

Bereits seit 2 Jahren leben die Erzählerin und der Taxifahrer Stein in einer Beziehung. Er wird damit ebenfalls Teil einer unbekümmert vor sich hinlebenden Künsterlerclique, in der sich die Erzählerin bereits bewegt.

Es drängt sich die Vermutung auf, dass der Taxifahrer Stein in die Erzählerin nicht nur bloß verliebt ist, sondern ihrem Charme erlegen ist. Als er endlich ein mögliches gemeinsames Domizil gefunden hat, ein renovierungsbedürftiges Gutshaus im Oderbruch, lädt er sie zu einer Besichtigung ein. Entgegen seiner Vorfreude auf ein gemeinsames Domizil, bleibt die Erzählerin auf Abstand zu seinen Empfindungen.

Davon lässt er sich nicht entmutigen, voll von Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft beginnt er mit den Renovierungsarbeiten. Stolz informiert er seine Angebetete über den Fortschritt seiner Erfolge als Bauherr. Diese ignoriert die Botschaften. Enttäuscht steckt Stein die Immobilie in Brand und sucht das Weite. Auf eine Nachricht über dieses Ereignis reagiert die Erzählerin anteilnahmslos.

ZEITLICHE ABLÄUFE UND SCHAUPLÄTZE

Das Geschehen findet in den Jahren 1990 bis 1996 statt. Orte dieser Handlung sind Berlin-Kreuzberg und Canitz im Oderbruch.

PROTAGONISTEN

Erzählende Figur [Charakter]:

Mit ziemlicher Treffsicherheit kann der Lesende dem Textkontext entnehmen, dass es sich hier um eine weibliche Person handelt. Die beschriebenen Umstände lassen ein Alter zwischen 20 und 30 Jahren vermuten.

Sie erweckt den Eindruck ihr Selbst noch nicht gefunden zu haben. Denn: Ihre Reaktionen auf die Bemühungen Steins, ein gemeinsames Domizil zu finden, sind so abweisend, wie eindeutig. Metaphorisch ist dies als Wunsch Steins zu verstehen, einen gemeinsamen Zielpunkt zu finden.

Sie will sich nicht festlegen. Entscheidungen, denen sie nicht ausweichen kann, verschiebt sie auf die Zukunft.

Taxifahrer Stein [Charakter]:

Er hat sich in der Erzählerin verliebt. So sehr, dass er eine gemeinsame Zukunft plant.

Aus Liebe zu ihr ordnet er sich in die Lebensphilosophie der Künstlerclique unter und kauft das Gutshaus im Oderbruch.

Künstlerclique [Charakter]:

Anna, Christiane, Henriette, Falk, Heinze und Toddi sowie eine unbekannte Zahl namentlich nicht erwähnter Personen bilden diese Gemeinschaft.

Innerhalb dieser Gemeinschaft geht es freizügig zu. Darauf verweisen der Hinweis auf den Drogenkonsum und die wechselhaften Intimbeziehungen.

TEXTAUFBAU

Sprachstil: Insgesamt 25 Erzählabschnitte teilen sich in 23 Erzählabschnitte und zwei narrative Soinderformen auf.

Struktur: Der strukturelle Aufbau der Handlung hat die Form eines Dramas in fünf Akten.

Textsorte: Die Art und Weise der Gestaltung lassen auf eine Kurzgeschichte schließen.

FORMALE UND SPRACHLICHE STILMITTEL

Sichtweise: Es fällt auf, dass die Erzählerin sich bemüht, objektiv zu schreiben. Doch entlarven Lesende dies bei genauerer Betrachtung als scheinbare Objektivität, mit der die Erzählerin Abstand zu einer emotionalen Verbindlichkeit sucht.

Räumlichkeit: Der geografischen Einheit Berlin und der Uckermark lässt sich die symbolische Einheit Moloch Stadt versus verträumtes Landleben entgegensetzen. Zusammen ergeben sie den Raum dieser Geschichte.

Zeitspanne: Der zeitliche Rahmen dieser Erzählung bezieht sich auf die Monate Dezember bis Mai inklusive eines dazwischen liegenden Jahreswechsels.

Inhalt: Reduziert auf das Wesentliche, verzichtet der Text weitgehend auf Beschreibungen und kritischen Passagen, die Lesende zu Rückfragen veranlassen.

Sprache: Insgesamt bestimmt den Text eine sachliche und distanzierte, fast schon unterkühlt wirkende, Sprache. Dies kann ein möglicher Hinweis auf die scheinbare Objektivität sein (siehe Stichwort: Sichtweise).

Symbolik: Es sind sechs Dingsymbole zu finden: Haus, Schiff, Kirche, Efeu, Schlüssel. Es gibt ein Namenssysmbol, den Stein, ein Zahlsymbol, die Dreiundzwanzig sowie ein Farbsymbol und das heißt Blau.

Analogie: Die Erzählung arbeitet mit folgenden rhetorischen Figuren: die eine besteht aus der Kette Musik-Drogen-Eigenschaften. Die andere aus den Blöcken Raum- und Kommunikationsmotiv.

Charakter: Auf bemerkenswerte Weise vermittelt die Erzählerin in ihren Handlungsweisen den Hang zu einem Aufschiebeverhalten. Stereotyp thematisiert ihr Verhalten das Verhältnis von Liebe zu generationstypischen Ansichten.

HISTORISCHER HINTERGRUND

Judith Hermann, geboren am 15. Mai 1970 in Berlin-Neukölln, ist eine Schriftstellerin und Diplomjournalistin. Ihre universitäre Karriere beginnt sie mit einem Studium der Germanistik und Philosophie. Dies bricht sie für eine Selbstfindungsphase, in der sie sich als Sängerin und Managerin einer Popband engagiert, ab.

Zwar spielt die Kurzgeschichte in der Zeit des wiedervereinigten Deutschlands, doch wird dies nicht ausdrücklich erwähnt. Bemerkenswerte Randnotiz: Hermanns persönlicher Werdegang verleiht dieser Literatur eine besondere Ehrlichkeit und schlüssige Glaubhaftigkeit.

URSPRUNG UND QUELLEN

Während eines Autorenstipendiums entsteht der Erzählband „Sommerhaus, später“. Im darauf folgenden Jahr hat er sein Debüt.

Gespräche, Erfahrungen und Eindrücke sind nach Aussage der Autorin Inspiration für ihr Werk. Die Arbeiten des US-Erzählers Raymond Carver lernt sie erst nach ihrem Debüt kennen.

INTERPRETATIONSASPEKTE

Zehn mögliche Aspekte:

Biografie: Vergleich der fiktionalen mit den persönlichen Erfahrungen der Schriftstellerinnen,

Ästhetik: die Entwicklung der Kurzgeschichte in Bezug zu Verschwiegenheit und Geheimniskrämerei,

Komparatistik: Analyse, ob es sich tatsächlich um die Form einer Kurzgeschichte handelt,

Kommunikation: Analyse, ob die Beziehungsschwierigkeiten mit einem Fehlverhalten der Hauptdarsteller begründet werden kann,

Soziologie: Analyse gesellschaftlicher Strukturen (Boheme) in Berlin-Kreuzberg nach der Wiedervereinigung,

Genderalogie: Analyse des Verhältnisses zwischen den Geschlechtern im Kontext zum traditionellen Rollenklischee,

Psychologie: Analyse der Persönlichkeit relevanter Personen (Stichwort: Identitätskrise),

Philosophie: Suche nach dem Grund für die Identitätskrise (siehe Psychologie),

Rezeptionsästhetik: Antwort auf die Frage, wie der Text gedanklich und emotional wahrgenommen wird,

Rezeptionssoziologie: Es wird die zwischenmenschliche Beziehung, in diesem Fall die Figuren der Kurzgeschichte, untersucht und wie sie auf Lesende wirkt.

STIMMEN

Bereit kurz nach dem Debüt erhält das Werk von Judith Hermann das erste Lob, schon gleich nach „Ihr Erfolg wird groß sein“, prophezeit der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki im Gespräch mit Hellmuth Karasek und Sigrid Löffler und in der Sendung „Das Literarische Quartett, No. 57“ [30. Oktober 1998].

Zusammen mit den Autorinnen Jenny Erpenbeck und Julia Frack veranlasst Judith Hermann denrechneer Journalisten und Literaturkritiker Volker Hage von dem intellektuellen Magazin „DER SPIEGEL“ zu der Behauptung “ Die Damen fackeln nicht lange […] und er postuliert ihnen ein „Fräuleinwunder“[22. März 1999].

Am 24. November 2001 erhält die Schriftstellerin Hermann den Kleist-Preis für ihr Erstwerk. „Früher Lorbeer: Judith Hermann und der Kleist-Preis“ kommentiert die überregionale Tageszeitung „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ dieses Ereignis [24. November 2001].

„Ihr Erzählungsband „Sommerhaus, später“ war 1998 ein Triumph der deutschen Literatur“, bemerkt das intellektuelle Magazin „DER SPIEGEL“ [27. Januar 2003].

„Von Judith Hermanns Geschichten geht eine ganz eigenartige Stimmung aus“, so beginnt eine Rezension aus der überregionalen Tageszeitung „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ [17. März 2003].

Aktuell sind über 500.00 Exemplare von „Sommerhaus, später“ verkauft.

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