Die Kurzgeschichte von Gabriele Wohmann führt uns in eine alltägliche Situation in Rita’s Familie, in die wir ohne Einleitung hineintauchen. Rita, ihre Mutter und ihre Schwestern Nanni und Milene sitzen am Abendbrottisch beisammen und sprechen über einen Besucher, der gerade das Haus verlassen hat. Es handelt sich dabei um einen jungen Mann, den Rita mit nachhause gebracht hatte. In der Gesprächsrunde kritisiert besonders die Schwester Nanni den jungen Mann, wobei sie sich auf sein Aussehen bezieht. Er sei dick, schwammig und so weich, meint sie, während ihr vor Lachen die Tränen die Tränen aus den Augen fließen. Auch die Mutter stimmt ein und fragt sich, ob der dicke junge Mann denn überhaupt gesund ist. Lediglich Milene hält sich mit der Kritik zurück, während Rita die Kritik ihrer Familie schweigend erträgt. Schließlich kommt der Vater nachhause zurück, der den jungen Mann bis zur Bushaltstelle gefahren hatte.
Auch er hat seine Kritik anzubringen, da er es verwunderlich findet, wie ängstlich der junge Mann war, die letzte Bahn noch zu erreichen. Rita erklärt, dass ihr Freund mit seiner Mutter zusammenlebt, was neue Wellen des Gelächters seitens der Familie hervorruft. Auch Ritas Erklärung, dass die Mutter des Freundes kränklich sein, kann der Stichelei und dem Gelächter keinen Abbruch tun. Schließlich fragt Rita aufwendig, wann der der junge Mann, denn sie geringschätzig als Qualle beschreibt, wohl wieder zu Besuch zu erwarten sein. Als Rita verkündet, dass nun häufiger mit dem Besuch des Mannes zu rechnen sei, da sie sich mit ihm verlobt habe, tritt zunächst betretenes Schweigen ein. Der Vater fängt sich als erster und argumentiert, dass der junge Mann immerhin recht höflich sei und schließlich findet auch die Mutter ein paar freundliche Worte. Die Geschichte endet mit Rita, die einen Blick in die Runde ihrer Familie wirft, die nun ihre bissigen Bemerkungen eingestellt haben, doch die Spuren des Gelächters sind immer noch auf den Gesichtern zusehen.
Gabriele Wohmann möchte mit ihrer Geschichte zum Ausdruck bringen, wie Menschen oft nur auf Grund ihres Aussehens beurteilt und kritisiert werden. Im Falle des jungen Verlobten von Rita reduziert die Familie seine gesamte Persönlichkeit auf seine dicke Figur. Weden Nanni noch ihre Mutter stellen andere Überlegungen hinsichtlich ihres Besuchers an. Der große Körperumfang bereitet ihnen Vergnügen und sie lassen sich nach Herzenslust darüber aus. Ritas Reaktion darauf, oder ihre Gefühle finden dabei keinerlei Rücksicht. Der Vater bringt schließlich noch einen weiteren Kritikpunkt zu tragen: Die Ängstlichkeit des jungen Mannes, seine Bahn zu erreichen.
Erst nachdem Rita verlauten lässt, dass es sich bei dem jungen Mann um ihren Verlobten handelt, ebbt der Spott langsam ab und die Familie bemüht sich nun, etwas Positives an dem Besucher zu finden. Doch scheinbar haben sie sich zu sehr auf den Körperumfang des Besuchers konzentriert, so dass es schwer fällt, nette Bemerkungen zu finden. Nach den vorangegangenen Ausbrüchen von spöttischem Gelächter fällt das natürlich gar nicht so leicht, so dass am Tisch schließlich betretenes Schweigen entsteht.
Die Kurzgeschichte lässt erkennen, dass die Mehrheit der Personen dazu bereit sind, ein vorschnelles Urteil über eine unbekannte Person zu fällen und sich gerne über die Schwächen des anderen lustig machen, ohne dabei seine möglichen Tugenden abzuwägen. Oft kann dieser Spott jedoch Schaden anrichten. In der Geschichte erfahren wir nicht, wie Rita langfristig mit der Kritik ihrer Familie fertig wird und welchen Einfluss diese auf ihr Verhältnis zu dem Verlobten und zu ihrer Familie haben könnte. Doch gibt es einige Andeutungen auf Ritas Gefühle. Während der Kritik ihrer Familie presst sie ihre Fingerkuppen fest an das Holz ihres Sitzes und während sie die Verlobung verkündet hält sie ihren Kopf bewusst hoch. Daraus lässt sich ihre innere Spannung erkennen und auch das Unbehagen, das ihr durch die unbedachten Äußerungen ihrer Familie erwächst. Diese Überlegungen führen schließlich dazu, dass Gabriele Wohmanns Kurzgeschichte und dazu einlädt, unser Urteil weniger vorschnell zu bilden und auch zurückhaltender zu äußern, um unnötigen Schmerz und Spannungen zu vermeiden.
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