Geschichten aus dem Wienerwald – kurze Inhaltsangabe / Zusammenfassung

Mit „Geschichten aus dem Wienerwald“ hat der österreichisch-ungarische Dramatiker Ödön von Horváth ein Stück kreiert, dessen Titel in Referenz zu dem gleichnamigen Walzer von Johann Strauß steht, sich jedoch komplett von der Leichtigkeit des entsprechenden Musikstückes abwendet. Als wohl berühmtestes Werk Horváths ist das in ironischer Wendung als Volksstück bezeichnete Werk in den Endzwanzigern des 20. Jahrhunderts entstanden und wurde mit dem Kleist-Preis ausgezeichnet noch bevor es 1931 zur Uraufführung kam. In kritischer Auseinandersetzung mit der Idee der „Wiener Gemütlichkeit“ deckt das in schwierigen Zeiten entstandene Drama deren Heuchelei und Verlogenheit auf und wurde aus diesem Grund auch von Erich Kästner als „Wiener Volksstück gegen das Wiener Volksstück“ bezeichnet.

Handlung und Nebenstränge

Im Mittelpunkt des Dramas steht die Protagonistin Marianne, die das Klischee des „süßen Wiener Mädels“ (ein Ideal der Kunst des Fin de Siècle) erfüllen soll, sich aber der von ihrem Vater (einem im Stück als Zauberkönig bezeichneten Puppendoktor) angeordneten Hochzeit mit dem Fleischer und Nachbarn Oskar entzieht. Statt dessen bekommt sie ein uneheliches Kind von dem „Nichtsnutz“ und „Hallodri“ Alfred und lebt mit diesem – entgegen allen romantischen Stereotypen – im tiefsten Elend, nachdem der hartherzige Vater sie verstoßen hat. In einer Nebenhandlung wird über die Tabak-Trafikantin (also: Kioskbesitzerin) Valerie erzählt, die ursprünglich mit Alfred verbandelt war und sich nun mit dem deutschen Jurastudenten Erich zusammentut. Erich präsentiert sich als Prototyp des neuen Nationalismus und Gegenmodell zur ebenfalls stereotypen Figur des Rittmeisters, der noch die alten Tugenden des Österreich-Ungarischen Kaiserreiches repräsentiert.

Mariannes Kind wird zur Mutter Alfreds aufs Land gebracht, wo es letztlich stirbt, weil selbige es in klaren Tötungsabsichten zu lange in der Kälte hat ausharren lassen. Marianne kann in der Not ihren eigenen sozialen Abstieg nicht verhindern und erhält durch die „Verbindungen“ einer Baronin und Alfreds Freund Hierlinger die Möglichkeit als erotische Varieté-Tänzerin in einem Halbwelt-Etablissement zu arbeiten, das den Namen Maxim trägt. Dort findet eine zufällige Begegnung mit dem Vater statt, in der dieser erleben muss, wie seine Tochter Marianne in fast schon allegorischer Weise halbnackt zwischen den anderen lebendigen Menschen und Figuren agiert. Eine weitere zentrale Figur ist ein aus den Vereinigten Staaten stammender „Mister“, der Marianne als Prostituierte anwerben möchte und sich durch ihre Ablehnung erheblich in seinem Stolz verletzt fühlt. In einer Art Rachefeldzug sorgt er dafür, dass das Mädchen im Gefängnis landet, indem er ihr einen Diebstahl unterstellt. Der einzig gangbare Ausweg ist für Marianne dann die doch noch vollzogene Hochzeit mit dem Metzger Oskar, die nur durch den vorherigen Tod des unehelichen Kindes möglich wird. Das Stück endet mit dem Hochzeitskuss zwischen dem Fleischer und dem Mädchen, musikalisch begleitet von der Großmutter, die auf der Zither den Walzer „Geschichten aus dem Wienerwald“ anklingen lässt.

Ansätze zur Interpretation

Das sogenannte Volksstück hat in Österreich eine lange Tradition und richtet sich üblicherweise in humoristischer Form an breite Bevölkerungsschichten, also auch an die sogenannten „einfachen Menschen“, denen die höhere Bildung auf Grund einer seinerzeit noch stark präsenten Klassenstruktur vorenthalten geblieben war. Horváth führt das Genre Volksstück sozusagen mit dessen eigenen Mitteln ad absurdum, indem er unter der Zuhilfenahme stark ausgearbeiteter Klischees eine groteske Ebene mit hineinholt und den Zuschauern durch die daraus resultierende Überspitzung einen gesellschaftlichen Spiegel vor Augen hält. Hierbei ist es insbesondere das Verweilen in romantischen und literarischen Klischees, das einer realistischen Betrachtung der Welt und damit der Humanität selber im Wege zu stehen scheint. Mit den genannten Mitteln der Überspitzung ist es Horváth in seinem berühmtesten Stück gelungen zu zeigen, dass die Menschlichkeit in der automatisierten Erfüllung vordergründiger gesellschaftlichen Verpflichtungen zu Grunde geht und dass die als so positiv erachtete „Wiener Gemütlichkeit“, wie sie sich in den traditionellen Volksstücken äußert, eine überaus heuchlerische und falsche Angelegenheit ist oder sein kann. Gefördert wurde Horváths Einsicht sicher durch die gesellschaftliche Notlage, die sich aus der Krise der Weltwirtschaft ergab.

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