Die neoklassizistische Novelle des Schriftstellers Thomas Mann „Tod in Venedig“ aus dem Jahre 1911 spielt in ebendiesem Jahr in der schon im Titel genannten italienischen Hafenstadt und beschreibt die letzten Tage des Dichters Gustav von Aschenbach.
Aschenbach, ein gealterter, in München lebender Erfolgsschriftsteller begibt sich nach einer plötzlichen Erscheinung im Englischen Garten in München, die ihm „eine seltsame Ausweitung seines Inneren ward“ und in ihm „eine Art schweifender Unruhe, ein jugendlich durstiges Verlangen in die Ferne“ weckt, auf Reisen. Im Schlafwagen fährt er nach Istrien, dort aber ist das Wetter miserabel und weil es ihm in Pula nicht gefällt, begibt er sich in der zweiten Woche an Bord eines Schiffes nach Venedig.
Schon bei der Ankunft, kommt es zur ersten Ungewöhnlichkeit. Mit der Gondel lässt sich Aschenbach zum Lido fahren. Dort angekommen stellt er allerdings fest, dass er den Lohn für den Gondoliere nicht passen hat, weswegen er in ein Hotel zum Wechseln läuft. Als er zurückkommt, um zu bezahlen, ist der Gondoliere verschwunden.
In dem Hotel, in das sich Aschenbach daraufhin einquartiert, fallen ihm recht bald darauf drei junge Polinnen und ein 14-jähriger, engelsgleicher Knabe auf. Auf dem Weg zum Speisesaal begegnen sich die Blicke des Jungen mit denen von Herrn Aschenbach zum ersten Mal.
Der Junge, wie Aschenbach am nächsten Tag am Strand erfährt, wird Tadzio gerufen. Spätestens ab diesem Moment einwickelt die Novelle einen „märchenhaft abweichenden“ Charakter.
Aschenbach entscheidet sich schon am nächsten Tag, wieder abreisen zu wollen. Eine Schwüle trägt der wolkenverhangene Himmel herbei, die Aschenbach nicht ertragen möchte. Aber noch beim Frühstück sitzend entscheidet er sich wieder dagegen, der Aufbruch sei ihm zu früh und der Autobus solle mit einem Koffer darin einfach alleine losfahren. Doch auch zwei Tage später wohnt Aschenbach noch in dem Hotel, denn inzwischen scheint die Sonne.
Tatsächlich aber, so merkt der Leser, ist nicht das schöne Wetter die Ursache für Aschenbachs weiteren Aufenthalt, viel mehr ist er der Junge Tadzio, der ihm wie der Gott Hermes erscheint. Aschenbach macht es sich zur Gewohnheit, den Jungen am Strand zu beobachten; einmal möchte er ihn sogar ansprechen, läuft ihm hinterher, doch mit plötzlich stechendem Herzen muss er anhalten und erreicht Tadzio nicht. Es ist der Moment, indem erstmals deutlich wird, dass diese sehr wohl homoerotische Liebe von „pessimistisch-orgiastischer Natur, das heißt des Todes“ ist, wie Thomas Mann einmal zusammenfasste.
Erst in der vierten Woche seiner Anwesenheit in Venedig bemerkt Aschenbach, dass die Zahl der Touristen merklich weniger geworden ist und ihm fallen Anschläge auf, auf denen vor Verzehr von Muscheln gewarnt wird. Erst auf Nachfrage bei einem Angestellten eines englischen Reisebüros erfährt der Schriftsteller von der indischen Cholera, die in der Stadt wüte und bereits zu Todesfällen geführt habe.
Aschenbach aber bleibt weiterhin in der Lagunenstadt auch die Familie von Tadzio ist noch immer nicht abgereist und seine Begierde zu dem Jungen verkommt zu einer Sucht. Selbstachtungsverloren lässt er sich, um dem Jungen zu gefallen, in dem Hotel die Haare färben und schminkt sich. Er begnügt sich auch nicht mehr damit, Tadzio nur am Strand zu beobachten, sondern verfolgt ihn und dessen Familie auch heimlich durch die Stadt, stellt ihnen in Gassen und auf den Plätzen Venedigs nach.
Zunehmend erleidet der Schriftsteller dabei Schwindelanfälle und Erschöpfung und verliert immer wieder den Knaben aus den Augen.
Eines Morgens kommt es dann aber zum Unvermeidlichen. Aschenbach sieht in der Hotelhalle eine größerer Menge Gepäck vor. Auf Nachfrage des Portier erfährt er dann, was er bereits befürchtete: die polnische Familie um Tadzio verlässt die Stadt.
Am Strand beobachtet der alte Schriftsteller ein letztes Mal den Knaben, wie er durchs Wasser watet. Dann, unvermittelt, dreht sich der Junge um. Er sieht, zum Todesboten geworden, den Dichter an, dem es ist, als würde der Junge ihm „hinausdeuten, voranschweben ins Verheißungsvoll-Ungeheure“.
Kurz darauf liegt Gustav von Aschenbach tot in seinem Liegestuhl.
Zu Form und Interpretationsansätzen
Die Novelle ist in fünf Kapitel gegliedert und erinnert so an den Aufbau des klassischen fünfaktigen Dramas. Thema soll laut einer Notiz Thomas Manns „Einbruch der Leidenschat“ in eine scheinbar gesicherte Existenz sein. Aschenbach, eine Figur, die zu Beginn als leistungsorientiert und mit einer Philosophie des Durchhaltens beschrieben wird, erfährt auf ihrer fluchtartig angetretenen Reise einen völligen Kontrollverlust, eine Existenzvernichtung. Der Schriftsteller fällt seiner eigenen Sehnsucht zum Opfer und Sehnsüchte, so heißt es in der Novelle, seien „das Ergebnis mangelhafter Erkenntnis“. So begegnet er unwissend dem in Tadzio verkörperten Dionysischen, ein von Nietzsche geprägter Begriff, nachdem er sein Leben im Apollinischen geführt hatte. Form, Zucht und Vernunft galten im Leben des Gustav von Aschenbachs als die Maximen, nach denen es zu Leben gilt. Doch dem Wink des Knaben am Ende der Novelle haben sie nichts entgegenzusetzen.
Es geht also um das Altern und das Sterben eines seiner Grundsätze beraubten Mannes, der feststellen muss, dass das Dionysische, das sich nach Lust und Sehnsucht anfühlt, am Ende über das Apollinische, über die Vernunft, siegt.
Die Todesursache bleibt offen. Denn nicht der Tod des Aschenbachs ist von Bedeutung, sondern dessen wochenlanger Sterbeprozess in einem Venedig, dass schwül, bröckelnd und von einer Seuche befallen beschrieben wird.
Der Texte hat, so beschreibt es Thomas Mann selbst, „einen im Licht mancher Facetten spielenden“ Charakter und ist ein in vielfachen Beziehungen schwebendes Gebilde.
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