„Der Steppenwolf“ ist ein im Jahr 1927 von Hermann Hesse veröffentlichter Roman. Er spielt in der Zürich in den 1920ern und handelt von der Figur Harry Haller.
Das Vorwort des Herausgebers der Aufzeichnungen von Harry Haller
Bei dem fiktiven Herausgeber handelt es sich um den Neffen einer Frau, die ein Zimmer an Harry Haller, den Protagonisten des Romans, vermietet. Er schildert, wie der knapp fünfzig Jahre alte Harry Haller bei seiner Tante wegen eines Zimmers anfragt und eine Wohnung im Haus bezieht. Er berichtet davon, wie sich der Vermieter in den knapp zehn Monaten verhalten hat. Harry Haller zieht die Neugierde des Neffen auf sich. Dieser ist von dem unsteten Lebenswandel des Mieters fasziniert und irritiert zugleich. Eines Tages verlässt Haller spurlos das Haus, hinterlässt aber ein Manuskript mit seinen Aufzeichnungen. Diese Aufzeichnungen bilden einen Großteil des Romans.
Harry Hallers Aufzeichnungen
Harry Haller schildert sein Leben und seine Empfindungen in der Zeit, die er in Zürich in der Dachgeschosswohnung der Familie verbracht hat. Dazwischen erinnert er sich an sein früheres Leben, an seine ehemalige Frau und an die Phase, als er sich an ein Leben in Einsamkeit gewöhnte. Er deutet an, zuvor ein angesehenes Leben als Intellektueller geführt zu haben. Abgesehen von wenigen Ausnahmen erscheint ihm sein jetziges Leben als trost- und sinnlos. Darüber hinaus empfindet er das moderne Leben insgesamt als Zumutung. Moderne Jazzmusik und Massenvergnügungen erträgt er nicht. Dafür hat er nur Hohn und Spott übrig. Was er verabscheut, sind mittelmäßige und halbherzige Menschen, die sich bald mit etwas zufrieden geben. Selbstzufriedenheit ist ihm ein Gräuel.
Haller leidet unter körperlichen Beschwerden, Depressionen und Stimmungsschwankungen. Er sucht Gaststätten auf und findet Gefallen an ihnen, wenn sie besonders einfach und bodenständig sind. Bei einem seiner nächtlichen Streifzüge trifft er auf einen Mann, der ihm eine Broschüre mit dem Titel „Tractat vom Steppenwolf. Nur für Verrückte“ übergibt. Harry Haller beginnt mit der Lektüre.
Einschub: Der Steppenwolftraktat
Das Buch handelt von einem Mann namens Harry, der „zwei Seelen in seiner Brust“ trägt. In seinem Inneren liegen zwei Naturen miteinander im Widerstreit. Harry hat eine menschliche und eine wölfische Natur. Er ist zwischen beiden hin- und hergerissen und diese Zerrissenheit verleidet ihm nicht nur selbst das Leben, sondern macht auch den Umgang mit ihm schwierig. Der Wolf in ihm verlangt nach absoluter Freiheit und liebt auch die damit verbundene Einsamkeit. Er sucht die Lust und das Abenteuer, er scheut keine Gefahren. Der Mensch in ihm sehnt sich nach Sicherheit, Geborgenheit und menschlicher Nähe. Statt der großen Lust geht es ihm um Zufriedenheit und Behaglichkeit. Beides lässt sich kaum – und wenn, dann höchstens vorübergehend – vereinen. Harry ist ein unglücklicher Mensch. Er malt sich seinen Selbstmord aus, der ihn von seinem Leben und von den damit verbundenen Leiden erlösen soll.
Fortsetzung von Harry Hallers Aufzeichnungen
Harry Haller nimmt die Einladung eines jungen Professors an. Im Verlauf des Abends macht sich Harry über den Geschmack der Frau des Professors lustig. Der Gastgeber seinerseits zieht über den Inhalt eines pazifistischen Zeitungsartikels her, als dessen Urheber sich Harry Haller erweist. Nach diesem katastrophalen Abend sucht er auf dem Nachhauseweg ein Lokal auf. Dort trifft er auf eine junge Prostituierte namens Hermine, die sich seiner annimmt. Beide finden aneinander Gefallen. Im weiteren Verlauf des Romans lehrt Hermine ihn, sich an den einfachen Dingen des Lebens zu erfreuen. Sie leitet ihn dazu an, nicht pausenlos über das Leben zu räsonieren, sondern es auszukosten. Harry lernt das Tanzen und wird von Maria, einer Freundin Hermines, in die Welt der Erotik eingeführt. Er verliebt sich in Maria. Über die beiden Frauen lernt er den Jazzmusiker Pablo kennen. Als er mit Pablo über Musik diskutieren will, macht ihm dieser klar, dass es nicht darauf ankommt, über Musik zu reden, sondern sie zu machen und dadurch nicht nur selbst Freude zu erleben, sondern auch anderen Menschen Freude zu schenken.
Der Besuch des Maskenballs und das furiose Finale
Harry Haller besucht einen Maskenball und will dort Hermine treffen. Er findet sie nicht und beschließt, das Fest zu verlassen, doch jemand steckt ihm eine Nachricht zu, die die Einladung zu einem geheimen Fest enthält. Als er sich dorthin begibt, trifft er Hermine, die sich als junger Mann verkleidet hat. Harry tanzt und vergnügt sich. Schließlich konsumiert er gemeinsam mit Pablo Opium. Die Grenzen zwischen Realität und Vorstellung verschwimmen. Harry wird in eine surreale Phantasie- und Traumwelt versetzt, in der er das Lachen lernen soll: Mit Gustav, einem Schulfreund, lauert er vorbeifahrenden Autos auf und schießt auf deren Lenker. Er wird Zeuge einer Wolfsdressur, die in der Unterwerfung des Dresseurs durch den Wolf gipfelt. Er begegnet Mozart, der ihn das Lachen zu lehren versucht. Harry sieht sein Leben plötzlich positiver und glanzvoller. Dann trifft er jedoch Hermine und Pablo, die sich nackt vom Liebesspiel erholen. In einem Anfall von Eifersucht und Wut tötet er Hermine.
In moderner Kleidung kommt Mozart in den Raum, dreht einen Radioapparat an und die Musik von Händel erklingt. Harry ist entsetzt von der Klangqualität, wird aber von Mozart darüber belehrt, dass der Geist der Musik durch die Art der Wiedergabe nicht beeinträchtigt wird. Die Musik behält auf ewig ihren göttlichen Charakter. Ähnlich sei es mit dem Verhältnis von Idee und Erscheinung, von Ewigkeit und Zeitlichkeit, von Himmel und Erde, von Gott und Mensch. Mozart empfiehlt Harry, das Leben fortan nicht mehr zu kritisieren und zu beurteilen, sondern ihm mit Lachen zu begegnen. Nur wer lacht oder zu lachen lernt, ist in der Lage, das Leben zu bewältigen.
Ein Deutungsansatz
Hermann Hesse hat das Buch über den Steppenwolf Harry Haller zu einer Zeit verfasst, als er sich selbst in einer Lebenskrise befunden hat. Er hat sich damals nicht nur selbst in Therapie begeben, sondern auch mit Freuds Psychoanalyse beschäftigt. Freud geht davon aus, dass das menschliche Innenleben aus mehreren Instanzen besteht, die einander konfliktiv gegenüberstehen: Das am Lustprinzip orientierte ES befindet sich in beständiger Auseinandersetzung mit dem lustfeindlichen ÜBER-ICH. Das ÜBER-ICH funktioniert nach dem Prinzip von Belohnung und Strafe. Es ist das vernünftige Prinzip und das moralische Gewissen, das den Menschen zur Anpassung an die gesellschaftlichen Normen und Wertmaßstäbe zwingt. Zwischen den beiden Instanzen steht als dritte Instanz das ICH, das den Ausgleich zwischen ihnen anstrebt.
Bei Harry Haller wiederum befinden sich wölfische und menschliche Instanz in einem Dauerkonflikt, den er nicht lösen kann und der ihn zu zerreißen droht. Gesucht ist ein Ausgleich zwischen Sinnlichkeit und Geist, zwischen Lust und Moral. Harry versucht, den Konflikt zu lösen, indem er seine wölfische Natur unterdrückt. Aber sie meldet sich immer wieder mit ihren Verlockungen. Erst als er Hermine, Maria und Pablo kennenlernt, eröffnet sich für ihn ein Weg der Vermittlung. Dieser Weg besteht in der Annahme des Lebens, der Lust und des Leidens. Harry sieht ein, dass dem Menschen eine endgültige Lösung des Konflikts versagt bleiben muss und auch nicht angestrebt werden soll. Ein solches Bestreben schadet dem Menschen mehr als es nützt. Diese Einsicht ist ein großer Schritt auf dem Weg zur seelischen Gesundheit.
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